Phase V - Die Veröffentlichung
Tournee- und Aufführungssituation
Stefan Kaegi, 1972 in Solothurn geboren, studierte Kunst in Zürich und Angewandte Theaterwissenschaften in Giessen. Mit Helgard Haug und Daniel Wetzel gründete er 2000 das Kollektiv Rimini Protokoll, das für innovative dokumentarische Theaterstücke, Hörspiele und Installationen bekannt ist. Stefan Kaegi und Rimini Protokoll arbeiten regelmässig mit «Expert*innen», die nicht für das, was sie können, sondern für das, was sie sind, ausgewählt werden. Ihre Auftritte speisen sich aus ihrer Biografie und bestimmten Fachkenntnissen. Ihre Arbeiten, wie «Mnemopark» oder «Situation Rooms», wurden weltweit gezeigt. Rimini Protokoll erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Silbernen Löwen der Theaterbiennale Venedig. Das Kollektiv wurde mit den Produktionen «Deadline» (2004), «Wallenstein – eine dokumentarische Inszenierung» (2006) und «Situation Rooms» (2014) zum Berliner Theatertreffen eingeladen. 2015 hat Kaegi den Schweizer Grand Prix / Hans-Reinhart-Ring erhalten. Kaegi lebt und arbeitet zwischen Eison (VS) und Berlin.
Bezüglich einer Veröffentlichung oder Tour gibt es Projekte, die heikel sind oder Ängste bei den Beteiligten auslösen, insbesondere in politischen Situationen. Solche, bei denen die Sorge besteht, dass dies die Familie belasten oder sogar bedrohen könnte – wie beim kubanischen Projekt «Granma – Posaunen aus Havanna»: die Erzählungen über die Grosseltern und deren Funktion während der Revolution, die von den Enkeln anders bewertet wird als vom autokratisch regierenden Parteiapparat. Erfahrungsgemäss tauchen viele Fragen erst während der Tour auf: etwa als ein staatlicher Zensor für ein Projekt mit ägyptischen Muezzins jedes Bild und jeden Satz kontrollieren wollte und damit gedroht hat, unseren darstellenden Muezzins die Reiseerlaubnis zu entziehen. Das hat zu langen, durchaus interessanten Verhandlungen geführt, die aber natürlich auch ermüdend sein können.
Aber die grössten Schwierigkeiten traten bei dem Projekt damals auf, als ein Koran-Rezitator aus der ägyptischen «Upper Class» die anderen Muezzine auf der Bühne, die aus prekären Klassen kamen, respektlos behandelte, bis er auf der Tour schliesslich durch den Regieassistenten ersetzt werden musste. Dieser erzählte dann auf der Bühne unter anderem auch diesen sozialen Konflikt, der sehr bezeichnend für die ägyptische Gesellschaft ist.
Emotionale Ereignisse auf der Bühne zu erzählen, kann herausfordernd sein; so hatte eine Performerin, die über einen verstorbenen Verwandten sprach, oft mit Tränen zu kämpfen. Dies normalisierte sich jedoch nach einer Weile. Es tat ihr gut, vielleicht sogar zeugte es von einem therapeutischen Effekt. Diese Szene wirkte aufgrund der Normalisierung dann weniger dramatisch; wir liessen diese Szene aber trotzdem im Stück. Das Schöne an dokumentarischem Theater ist ja, dass es von Aufführung zu Aufführung weiterlebt und weiter geformt werden kann, sich mit dem Leben weiterentwickelt – anders als bei einem Dokumentarfilm, der nach der Premiere meist nicht mehr angefasst wird und so manchmal an Aktualität verliert.
Reflektiere dein Projekt
Vorstellungen sind öffentlich: Thematisiert (und gestaltet) ihr diese Situation – und wer im Publikum sitzen könnte?
Ihr geht mit Performer*innen auf Tournee, die dies nicht hauptberuflich machen. Wie antizipiert und reagiert ihr auf Probleme während dieser Zeit? Und was bedeutet das für eure Planungen?
Wenn Laien auf Tour gehen, wie könnt ihr ein gutes Klima generieren? Wer ist Ansprechperson auf Tour?
Entscheidet ihr mit den Performer*innen zusammen, wie ihr mit schwierigen Situationen umgeht? Und könnt ihr gemeinsam entscheiden, wie ein Lösungsweg aussieht? Wer ist Ansprechperson?
Ist die künstlerische Leitung während der Tournee erreichbar oder sogar vor Ort?
Welche Möglichkeiten lasst ihr offen, um euer Stück auch nach der Premiere noch zu verändern (oder gar eine Fremdbesetzung zu machen)?
Phase V - Die Veröffentlichung
Tournee- und Aufführungssituation
Stefan Kaegi, 1972 in Solothurn geboren, studierte Kunst in Zürich und Angewandte Theaterwissenschaften in Giessen. Mit Helgard Haug und Daniel Wetzel gründete er 2000 das Kollektiv Rimini Protokoll, das für innovative dokumentarische Theaterstücke, Hörspiele und Installationen bekannt ist. Stefan Kaegi und Rimini Protokoll arbeiten regelmässig mit «Expert*innen», die nicht für das, was sie können, sondern für das, was sie sind, ausgewählt werden. Ihre Auftritte speisen sich aus ihrer Biografie und bestimmten Fachkenntnissen. Ihre Arbeiten, wie «Mnemopark» oder «Situation Rooms», wurden weltweit gezeigt. Rimini Protokoll erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Silbernen Löwen der Theaterbiennale Venedig. Das Kollektiv wurde mit den Produktionen «Deadline» (2004), «Wallenstein – eine dokumentarische Inszenierung» (2006) und «Situation Rooms» (2014) zum Berliner Theatertreffen eingeladen. 2015 hat Kaegi den Schweizer Grand Prix / Hans-Reinhart-Ring erhalten. Kaegi lebt und arbeitet zwischen Eison (VS) und Berlin.
Bezüglich einer Veröffentlichung oder Tour gibt es Projekte, die heikel sind oder Ängste bei den Beteiligten auslösen, insbesondere in politischen Situationen. Solche, bei denen die Sorge besteht, dass dies die Familie belasten oder sogar bedrohen könnte – wie beim kubanischen Projekt «Granma – Posaunen aus Havanna»: die Erzählungen über die Grosseltern und deren Funktion während der Revolution, die von den Enkeln anders bewertet wird als vom autokratisch regierenden Parteiapparat. Erfahrungsgemäss tauchen viele Fragen erst während der Tour auf: etwa als ein staatlicher Zensor für ein Projekt mit ägyptischen Muezzins jedes Bild und jeden Satz kontrollieren wollte und damit gedroht hat, unseren darstellenden Muezzins die Reiseerlaubnis zu entziehen. Das hat zu langen, durchaus interessanten Verhandlungen geführt, die aber natürlich auch ermüdend sein können.
Aber die grössten Schwierigkeiten traten bei dem Projekt damals auf, als ein Koran-Rezitator aus der ägyptischen «Upper Class» die anderen Muezzine auf der Bühne, die aus prekären Klassen kamen, respektlos behandelte, bis er auf der Tour schliesslich durch den Regieassistenten ersetzt werden musste. Dieser erzählte dann auf der Bühne unter anderem auch diesen sozialen Konflikt, der sehr bezeichnend für die ägyptische Gesellschaft ist.
Emotionale Ereignisse auf der Bühne zu erzählen, kann herausfordernd sein; so hatte eine Performerin, die über einen verstorbenen Verwandten sprach, oft mit Tränen zu kämpfen. Dies normalisierte sich jedoch nach einer Weile. Es tat ihr gut, vielleicht sogar zeugte es von einem therapeutischen Effekt. Diese Szene wirkte aufgrund der Normalisierung dann weniger dramatisch; wir liessen diese Szene aber trotzdem im Stück. Das Schöne an dokumentarischem Theater ist ja, dass es von Aufführung zu Aufführung weiterlebt und weiter geformt werden kann, sich mit dem Leben weiterentwickelt – anders als bei einem Dokumentarfilm, der nach der Premiere meist nicht mehr angefasst wird und so manchmal an Aktualität verliert.
Reflektiere dein Projekt
Vorstellungen sind öffentlich: Thematisiert (und gestaltet) ihr diese Situation – und wer im Publikum sitzen könnte?
Ihr geht mit Performer*innen auf Tournee, die dies nicht hauptberuflich machen. Wie antizipiert und reagiert ihr auf Probleme während dieser Zeit? Und was bedeutet das für eure Planungen?
Wenn Laien auf Tour gehen, wie könnt ihr ein gutes Klima generieren? Wer ist Ansprechperson auf Tour?
Entscheidet ihr mit den Performer*innen zusammen, wie ihr mit schwierigen Situationen umgeht? Und könnt ihr gemeinsam entscheiden, wie ein Lösungsweg aussieht? Wer ist Ansprechperson?
Ist die künstlerische Leitung während der Tournee erreichbar oder sogar vor Ort?
Welche Möglichkeiten lasst ihr offen, um euer Stück auch nach der Premiere noch zu verändern (oder gar eine Fremdbesetzung zu machen)?