Phase III - Das Gespräch
Authentisches und inszeniertes Aufzeichnen
Corina Schwingruber Ilić (*1981) ist freischaffende Schweizer Filmregisseurin, Editorin und Dozentin, die in Luzern und Belgrad lebt. Ihr Kurzfilm «All Inclusive» (2018) wurde an über 250 Festivals gezeigt, ihr erster Langspielfilm «Dida» (2021) entstand in Co-Regie mit ihrem Ehemann Nikola Ilić. Ihr Film erhielt den Zürcher Filmpreis und war als Bester Dokumentarfilm nominiert für den Schweizer Filmpreis. Er handelt von der Mutter Nikolas und der Schwiegermutter Corinas, Dida, die eine Lernbehinderung hat und nicht eigenständig leben kann.
Unser Kodex bei «Dida» war, dass wir nichts im Film haben wollen, das für diesen speziell inszeniert wurde. Zum Beispiel: Ruf deinen Vater an, damit wir eine dramatischere Situation haben. Oder lade deinen Onkel ein, mit dem Du verstritten bist, das wäre ein konfliktreiches Setting. Was wir nicht im «richtigen Leben» machen würden, wollten wir auch nicht für den Film inszenieren.
Es geht aber auch darum, dass Menschen uns gegenüber authentisch sind: Menschen gewöhnen sich an die Kamera und vergessen sie.
Wichtig war uns auch, möglichst wenig Fragen zu stellen, um bestimmte Aussagen zu provozieren oder Regieanweisungen zu geben, z. B. «Geh da rüber und mach diese Aktion». Wenn das Thema klar ist und wir die richtigen Protagonist*innen für den Film haben, dann sagen die Menschen vor der Kamera oft von selber, was man für den Inhalt des Films braucht. Wir wollen so wenig wie möglich verfälschen.
Wir haben uns im Verlaufe des Filmens Regeln gesetzt. Zum Beispiel wollte Nikola nicht gefilmt werden, wenn er zu genervt über seine Mutter war. Auch aus Selbstschutz. Auch haben wir keine Szenen genommen, in der jemand weint, um den Eindruck zu vermeiden, auf die Tränendrüse zu drücken. Wir wollten den Alltag filmen und ihn so sein lassen, wie er ist. Diese Regeln haben auch unsere eigene Sensationslust gezügelt, im Sinne von: «Das müssen wir jetzt aufnehmen». Gleichzeitig kann das zur Folge haben, dass die Person vor laufender Kamera dann nicht mehr die gleiche Emotion hat. Dennoch hat dies klar einen positiven Nebeneffekt: das Vertrauen zu den Protagonist*innen erstarkt. Man zeigt damit: Wir interessieren uns für euch als Menschen und nicht nur für den Film.
Reflektiere dein Projekt
Habt ihr mit euren Beteiligten abgesprochen, was gezeigt und erzählt werden darf und was nicht? Sind diese Leitplanken für alle einsehbar, oder wie geht ihr im Team damit um?
Arbeitet ihr mit dem Material, das euch zur Verfügung gestellt wird, oder inszeniert bzw. erfindet ihr zusätzliche Szenen, die euer Thema unterstreichen? Wie transparent seid ihr damit gegenüber den Beteiligten und dem Publikum?
Wie geht ihr mit Situationen um, in denen die Beteiligten ihr Verhalten offensichtlich überzeichnen oder verfälschen?
Wie verhaltet ihr euch, wenn die Themen, die behandelt werden, bei euch oder bei den Protagonist*innen Emotionen auslösen? Und wie geht ihr mit dieser Emotionalität im Endprodukt um?
Phase III - Das Gespräch
Authentisches und inszeniertes Aufzeichnen
Corina Schwingruber Ilić (*1981) ist freischaffende Schweizer Filmregisseurin, Editorin und Dozentin, die in Luzern und Belgrad lebt. Ihr Kurzfilm «All Inclusive» (2018) wurde an über 250 Festivals gezeigt, ihr erster Langspielfilm «Dida» (2021) entstand in Co-Regie mit ihrem Ehemann Nikola Ilić. Ihr Film erhielt den Zürcher Filmpreis und war als Bester Dokumentarfilm nominiert für den Schweizer Filmpreis. Er handelt von der Mutter Nikolas und der Schwiegermutter Corinas, Dida, die eine Lernbehinderung hat und nicht eigenständig leben kann.
Unser Kodex bei «Dida» war, dass wir nichts im Film haben wollen, das für diesen speziell inszeniert wurde. Zum Beispiel: Ruf deinen Vater an, damit wir eine dramatischere Situation haben. Oder lade deinen Onkel ein, mit dem Du verstritten bist, das wäre ein konfliktreiches Setting. Was wir nicht im «richtigen Leben» machen würden, wollten wir auch nicht für den Film inszenieren.
Es geht aber auch darum, dass Menschen uns gegenüber authentisch sind: Menschen gewöhnen sich an die Kamera und vergessen sie.
Wichtig war uns auch, möglichst wenig Fragen zu stellen, um bestimmte Aussagen zu provozieren oder Regieanweisungen zu geben, z. B. «Geh da rüber und mach diese Aktion». Wenn das Thema klar ist und wir die richtigen Protagonist*innen für den Film haben, dann sagen die Menschen vor der Kamera oft von selber, was man für den Inhalt des Films braucht. Wir wollen so wenig wie möglich verfälschen.
Wir haben uns im Verlaufe des Filmens Regeln gesetzt. Zum Beispiel wollte Nikola nicht gefilmt werden, wenn er zu genervt über seine Mutter war. Auch aus Selbstschutz. Auch haben wir keine Szenen genommen, in der jemand weint, um den Eindruck zu vermeiden, auf die Tränendrüse zu drücken. Wir wollten den Alltag filmen und ihn so sein lassen, wie er ist. Diese Regeln haben auch unsere eigene Sensationslust gezügelt, im Sinne von: «Das müssen wir jetzt aufnehmen». Gleichzeitig kann das zur Folge haben, dass die Person vor laufender Kamera dann nicht mehr die gleiche Emotion hat. Dennoch hat dies klar einen positiven Nebeneffekt: das Vertrauen zu den Protagonist*innen erstarkt. Man zeigt damit: Wir interessieren uns für euch als Menschen und nicht nur für den Film.
Reflektiere dein Projekt
Habt ihr mit euren Beteiligten abgesprochen, was gezeigt und erzählt werden darf und was nicht? Sind diese Leitplanken für alle einsehbar, oder wie geht ihr im Team damit um?
Arbeitet ihr mit dem Material, das euch zur Verfügung gestellt wird, oder inszeniert bzw. erfindet ihr zusätzliche Szenen, die euer Thema unterstreichen? Wie transparent seid ihr damit gegenüber den Beteiligten und dem Publikum?
Wie geht ihr mit Situationen um, in denen die Beteiligten ihr Verhalten offensichtlich überzeichnen oder verfälschen?
Wie verhaltet ihr euch, wenn die Themen, die behandelt werden, bei euch oder bei den Protagonist*innen Emotionen auslösen? Und wie geht ihr mit dieser Emotionalität im Endprodukt um?